Hervé Graumann
My living room
Mithilfe eines CAD-Programms, das Ende der Neunziger Jahre vor allem für Visualisierungen von grossen Architekturprojekten, wie etwa eines Fussballstadions, Verwendung fand, zeigt uns Graumann in My living room einen Einblick in ein ganz persönliches Arbeits- und Schlafzimmer. In aufreizend langsamen, reibungslosen Fahrten, meist nahe am Boden entlang, umkreist er etwa den Kubus eines Schreibtischs, auf dessen fünf sichtbare Seiten er jeweils eine Fotografie der Seite montiert hat. Der ganze Raum besteht aus einer Collage von Fotografien, welche auf die Volumina der sie vertretenden Möbel und Gegenstände montiert sind, um eine Illusion von Raum zu erzeugen, deren Hauptaugenmerk sich auf die eigene Brüchigkeit und Konstruiertheit richtet. Die beiden Wände der Raumecke hinter dem Schreibtisch etwa enden in einem schwarzen leeren Raum und vermitteln so den Eindruck des Sets einer Daily Soap. Darüber hinaus sind immer wieder Flächen in den Boden oder die Wände eingezogen, deren Farben derart verschwimmen, dass sie unbestimmte Löcher in das Raumgefüge einzustreuen scheinen. Die Perfektion der geschmeidigen Fahrten durch die löchrigen Räume, die sensationellen Perspektivwechsel vom Boden in einer steilen Fahrt hinauf auf den Schreibtisch und wieder hinabstürzend auf das sich dabei verpixelnde Teppichmuster konterkarikieren den Bildinhalt eines chaotischen, alltäglichen Privatraums mit dem spektakulären Mitteln der perfekten Visualisierung von zukünftigen Grossbauprojekten.
(Text: Bettina Back)