Hervé Graumann
Raoul A. Pictor cherche son style
Auf dem winzigen Monitor eines Macintosh Colour Classic Computers hat Hervé Graumann in liebevoller Detailarbeit ein Künstleratelier für seinen Protagonisten Raoul A. Pictor eingerichtet, dessen künstlerische Tätigkeit er in den folgenden Jahren immer weiter ausbaut.
Im Bildvordergrund ist die Staffelei auf dem giftgrünen Atelierboden mit dem Rücken zum Betrachter aufgestellt, daneben ein Tischchen mit Farben: Rot, Blau und Gelb. Auf der Tapete, welche in einem oszillierendem Op-Art Muster gehalten ist, hängt eines der Werke Raouls, das mit einer Mischung aus Kandinsky und Miro einen Einblick in die abstrakte Formensprache seiner Bildwelten zu geben vermag. Sieht man doch sonst vom Entstehungsprozess der einzelnen Werke vor allem die Suche nach künstlerischer Inspiration und das Aushalten der Schaffenspausen, deren Dauer wesentlich den Rhythmus des Bildgeschehens bestimmt. Graumann zieht hier auf liebevoll ironische Weise alle Register der stereotypisierten Vorstellung vom Kuss der Muse, welche den Genius des Künstlers zum Leben erweckt: Der ziellose Spaziergang auf dem Teppich, das sinnierende Klavierspiel, die Ruhe auf dem Fauteuil oder das Betrachten von erbaulichen Büchern. Auch Raoul selbst, mit Künstlerschal, tiefsitzendem Beret und grauem Malerkittel lässt kaum ein Accessoire eines Künstlers der Klassischen Moderne vermissen. Ist das Gemälde nach Ablauf der wiederkehrenden Rituale vollendet, trägt Raoul es, immer noch mit dem Rücken zum_r Betrachter_in, zur Tür hinaus. Dieser erhält es nun in Form eines A4-Ausdrucks aus dem Farbdrucker neben dem Computer, datiert und signiert zur freien Verfügung.
Dank der detailreichen Programmierung eines Klischees der autorgestützten Bildproduktion aus der Blütezeit der Malerei, ist der digitale Bruch in der Darstellung, etwa durch die kindlichen Töne beim Klavierspiel oder dem Klopfen des Pinselstrichs auf der Leinwand, durch die stakkatoartigen Bewegungen, oder die grellen Farben umso charmanter und selbstironischer. Aus dem medienreflexiven Bruch entstehen signierte Unikate digitaler Kunst, deren Code sich beliebig variieren lässt. Die Programmiersprache tritt anstelle des Musenkusses.
(Text: Bettina Back)