Studer / van den Berg
Über Sehen
Das Screensaver-Programm Über Sehen (1993) des Künstlerduos Studer / van den Berg entstand als Beitrag für den Kunstkredit Basel mit dem Thema «Kunst am Arbeitsplatz». Angesichts ihrer eigenen Erfahrungen mit lieblos überladenen, öffentlichen Büroräumen an der Grenze zur Verwahrlosung, haben sie acht alltägliche Büroutensilien auserkoren, die Hauptprotagonisten eines 3D-animierten Bildschirmschoners zu werden, den sie eigens dafür programmiert haben. Neben Schere, Stempel und Bleistift verhelfen sie etwa auch Kaffeetasse und Giesskanne zu neuer, digitaler Präsenz im Büro.
Die Objekte wurden in einem 3D-Programm rekonstruiert und anschliessend als Bitmap-Grafik in Polygone zerlegt. Die daraus resultierende typische 3D-Ästhetik der 1990er Jahre, die Studer / van den Berg mitgeprägt haben, führt gemeinsam mit der alleinigen Präsenz der Objekte auf dem Bildschirm zu einer ironischen Überhöhung der chronisch «übersehenen» Utensilien.
Diese beginnen mit der Zeit ein Eigenleben. Sie zerfliessen surrealistisch, bis hin zu ihrer Auflösung über die Grenzen des Bildschirms hinaus. Während des immer wieder von Neuem stattfindenden, ästhetischen Morphings der unscheinbaren Helfer des Alltags, werden die einzelnen Stadien ihrer Zerdehnung mit Textfragmenten aus medienkritischen Texten überlagert, die in den 90er Jahren Diskursbestimmend waren. Zu den Autoren zählen u.a. Jean Baudrillard, Walter Benjamin, Friedrich Kittler, Paul Virilio oder Maurice Merleau-Ponty.
Die Kombination von Wort und Bild entsteht dabei immer wieder neu mittels eines computergenerierten Zufallsverfahrens. Das Aufeinandertreffen von philosophischem Ausdruck und sich quasi in Erschöpfung zerdehnendem Alltagsgegenstand verdoppelt die Ironie der Wort-Bild-Kombination und erhöht gleichzeitig die positive Aufmerksamkeit der pausierenden Betrachtenden für ihr essentielles Arbeitsgerät, den Computer.
(Text: Bettina Back)