Geschichte

HEK

Als einer der Pioniere auf dem Dreispitzareal eröffnete das HEK 2011 an der Oslostrasse 10 zunächst seine temporären Räume. Das jahrzehntelang als Zollfreilager und Materialumschlagplatz genutzte Areal befindet sich in Transformation hin zu einem lebendigen und urbanen Quartier.

Bereits 2009 war die Idee entstanden, ein Haus für elektronische Künste zu gründen, welches die Aktivitäten des [plug.in] Forum für Neue Medien (gegründet 2000) und Shift – Festival der elektronischen Künste, das von 2007 bis 2011 einmal jährlich stattfand, zu bündeln. Die Aktivitäten sollten zudem um die klassischen Aufgaben eines Museums – das Sammeln, Bewahren und Erforschen, in diesem Fall der Medienkunst – erweitert werden. Vor diesem Hintergrund wurde 2011 das HEK, damals noch unter dem Namen Haus für elektronische Künste Basel, im Mai 2011 mit dem Ziel etabliert, nachhaltige Strukturen für die Präsentation und den Erhalt von Medienkunst zu schaffen. Im Oktober 2014 bezog das HEK die jetzigen Räumlichkeiten am Freilager-Platz 9. Die Neueröffnung des Hauses fand am 21. November 2014 statt.

Bereits in der Übergangsphase war das HEK mit einem vielfältigen Programm aktiv. Gemeinsam mit lokalen Partnern wurden neue Formate entwickelt, wie beispielsweise die Oslo Night, an der alle Kulturinstitutionen an der Oslostrasse und dem Freilager-Platz beteiligt sind. Aus dieser Kooperation heraus hat sich ein Festival etabliert, das einen Tag und eine Nacht das Publikum zu Entdeckungen einlädt und dabei auch explizit den urbanen Raum im Quartier bespielt. Die Zeit der Bauphase nutzte das HEK auch für Kooperationen mit regionalen und internationalen Partnern und war mit seinem Programm bei anderen Institutionen und im Keck Kiosk auf dem Basler Kasernenareal zu Gast.

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[plug.in] Forum für Neue Medien

[plug.in] war ein Raum für zeitgenössische Kunst, die mit elektronischen Medien arbeitet. [plug.in] ermöglichte die Beschäftigung mit den gesellschaftlichen und künstlerischen Fragen, die sich mit der Durchdringung des Lebens durch Medientechnologie stellen. [plug.in] stand für das analoge Einstecken in den Stromkreislauf und für jene digitalen Programmerweiterungen, die es ermöglichen, mit einer anderen Software zu interagieren. Der Name bezeichnete das Vorhaben: Das Teilhaben an dynamischen und interaktiven Prozessen zu stimulieren und die auf der gesellschaftlichen Festplatte gespeicherten künstlerischen Diskurse um neue zu erweitern.

[plug.in] umfasste Ausstellungen in den Bereichen Internet- und Softwarekunst, interaktive Installationen, Sound Art etc.; Veranstaltungen zu Medienkunst und digitaler Kultur; eine Mediathek mit Büchern und DVDs sowie einen Shop mit Künstler:inneneditionen und elektronischen Gadgets.
Kurator:innen, Künstler:innen, Vermittler:innen, Autor:innen, Journalist:innen, Wissenschaftler:innen konnten vom Netzwerk und Knowhow von [plug.in] profitieren. Allgemeine Einführungen, Vorträge zur Medienkunst sowie Vertiefungen spezifischer Bereiche wurden für Schulklassen, aber auch für ein interessiertes Publikum angeboten.

[plug.in] ging einzelne, ausgewählte Produktionszusammenarbeiten mit Künstler:innen und Kollektiven ein und half diesen, technologisch komplexe Werke zu realisieren sowie diese an eine Öffentlichkeit zu vermitteln.

Auswahl von präsentierten Künstler:innen bei [plug.in] seit 2000:
Any Affair, Mark America, Inke Arns, Maja Bajevic, Ursula Biemann, !Mediengruppe Bitnik, Blast Theory, Nathalie Bookchin, Nicolas Boulard, Andres Bosshard, Beat Brogle, Shu Lea Cheang, collectif_fact, Nic Collins, Florian Cramer, etoy, exonemo, F18, Johannes Gees, Graw Böckler, Beverley Hood, JODI, Birgit Kempker, Knowbotic Research, Thomas Köner, Marc Lee, Jürg Lehni, Golan Levin, Lana Lin, Kristin Lucas, Muda Mathis/Sus Zwick, Marlene McCarty, Micromusic, Norbert Möslang, Christian Philipp Müller, n3krozoft mord, Sadie Plant, Marco Poloni, Max Philipp Schmid, Corinna Schnitt, Cornelia Sollfrank, Bruno Spoerri, Bruno Stanek, Monica Studer/Christoph van den Berg, Jan Torpus, Mark Tribe, Zhang Peili, Rolf Pfeifer, Hinrich Sachs, Andrea Saemann, Jill Scott, Barbara Strebel, Felix Stalder, Reinhard Storz, UBERMORGEN.COM, Olaf Val, Jan Verbeek, Yvonne Volkart, Christoph Wachter/Mathias Jud u.v.a.

Kooperationen fanden statt mit:

dorkbot.swiss, esba Genf, Eyebeam New York, FHNW HGK, F+F Zürich, Fondation Beyeler Riehen, Fri-Art Fribourg, Hartware MedienKunstVerein Dortmund, IfM Uni Basel, Internationale Kurzfilmtage Oberhausen, Jeonju International Film Festival Korea, Museum für Gegenwartskunst Basel, NAMOC Peking, Neue Kunst Halle St.Gallen, point de vue, Tweaklab, Viper, Xcult, ZHdK SNM, u.v.a.

Räumlichkeiten:

[plug.in] eröffnete im Dezember 2000 seinen Raum am St. Alban-Rheinweg in Basel. In den Ausstellungsräumen standen je nach Programm zusätzlich eine Mediathek, ein Shop wie auch eine Bar zur Verfügung. In den Räumlichkeiten von [plug.in] fanden auch die Veranstaltungen statt.
[plug.in] verfügte über einen Raum im Erdgeschoss von ca. 150m2 mit Fenstern gegen den Rhein und einem verdunkelbaren Oberlicht-Raum sowie über eine Blackbox mit Rückprojektion im Untergeschoss (50m2).
Von 2001-2007 war der Raum geprägt durch die Innenarchitektur von Federico Cambero, der sich u.a. auch für Filmsets des Filmemachers Pedro Almodovar verantwortlich zeichnete. Im Herbst 2007 wurde Camberos experimentelle Intervention durch eine reduziertere Innenarchitektur ersetzt.

Vorstand:

[plug.in] wurde getragen von einem Verein und Vereinsvorstand. Viele der Vorstandsmitglieder waren seit der Gründung mit [plug.in] verbunden und leisteten wertvolle Aufbauarbeit für die Institution. Mitglieder des Vorstands waren Susanne Ackers, Daniel Baumann, Martin Lüchinger, Dr. Hansmartin Siegrist, Dr. Beat von Wartburg.

[plug.in] Team 2000-2011:

Annette Schindler, Direktorin 2000-2010
Céline Studer, Geschäftsführerin 2006-2010
Raffael Dörig, kuratorischer Assistent 2005/6, Kurator 2006-2010
Lukas Zitzer, Praktikant 2010/11
Caroline Morand, Praktikantin/Aushilfe 2010
Fabienne Blanc, Praktikantin 2009, Sammlungsassistenz 2010/11
Bianca Hildenbrand, Aushilfe 2010
Martina Venanzoni, Aushilfe 2010
Jana Kouril, Praktikantin 2009
Irene Grillo, Praktikantin 2008 / Stv. Geschäftsführerin 2009
Robin Gommel, Praktikant 2008
Charlotte Matter, Praktikantin 2007/8
Doris Gassert, Praktikantin 2007/8
Cyrill Lim, Praktikant 2007
Erin Burns, Praktikantin 2007
Sabine Rödiger, Praktikantin 2006
Wolfgang Hockenjos, Geschäftsleiter, Netzwerker 2002-6
Nadja Solari, Praktikantin 2005/6
Annina Zimmermann, Aufbau und Leitung von regiortline.org 2003-5
Judith Schwyter, Praktikantin 2005
Yvonne Mattern, Praktikantin 2004
Hanna Steinmetz, Praktikantin 2004
Nica Giuliani, Praktikantin
Patrick Parisi, Praktikant 2002/3
Katrin Steffen, Praktikantin
Orlando Fleury, Inhouse Netzwerker 2001/2
Livia Hegner, Administrative Leiterin 2000

Unterstützer:

Für eine «sträflich unterfinanzierte Institution wie [plug.in]» (O-Ton Michael Koechlin, Leiter Ressort Kultur des Kantons Basel-Stadt) waren Drittmittel von Unterstützern schlicht existentiell. All die hier aufgelisteten Institutionen hatten es möglich gemacht, dass das umfangreiche Programm der Institution realisiert werden konnte.

Hauptunterstützer:

Christoph Merian Stiftung
Kanton Basel-Stadt, Ressort Kultur
kulturelles.bl

Projektunterstützer:

Alfred Richterich Stiftung
Basellandschaftliche Kantonalbank
British Council
Bundesamt für Kultur
Ernst Göhner Stiftung
Gemeinde Reinach, BL
GGG
Hulda & Gustav Zumsteg-Stiftung
IKEA Stiftung Schweiz
Jacqueline Spengler Stiftung
Justizdepartement Basel-Stadt
Kulturelles Baselland
Migros Kulturprozent, Science and Future
Migros Kulturprozent, Visual Arts
Ministerie van de Vlaamse Gemeenschap, Afdeling Beeldende Kunst en Musea
Mondriaan Foundation
Nestle Fondation pour l’art
Regio Basiliensis
Sitemapping
Sophie & Carl Binding Stiftung
Stanley Thomas Johnson Stiftung
Visarte
Zuger Kulturstiftung Landis&Gyr

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Shift – Festival der elektronischen Künste

Shift war eine Initiative von vier Organisationen bzw. Institutionen aus den Bereichen Film- und Videokunst, elektronische Musik sowie Medienkunst: das [plug.in] – Forum für Neue Medien, die Plattform für elektronische Musik sinus-series, die Videofilmtage Basel, sowie das DVD-Magazin Compiler. Gemeinsam gründeten sie im November 2006 den Trägerverein für das neue Festival. Die Programmverantwortlichen von Shift legen viel Wert auf eine nachhaltige Vernetzung mit Institutionen und Organisationen am Festivalort Basel. Shift war ein kuratiertes Festival ohne Wettbewerb oder Einreichungstermin für Projekte. Es fand von 2007 bis 2011 auf dem Basler Dreispitzareal statt.

Themen der Festivals 2007 bis 2011

2011

Of Birds and Wires. Stimmen unter Strom

Die Stimme ist das erste Medium der Sprache, sie ist das unmittelbarste Instrument, sowohl Verweis auf einen Körper als auch Trägerin von Information. Sinnliche Präsenz verbindet sich in der Stimme mit dem Sinn ihrer Botschaft. Hören wir eine Stimme, verbinden wir diese Wahrnehmung mit der Anwesenheit eines Individuums und dem originären Ausdruck seiner Persönlichkeit – obwohl Stimmen seit jeher geformt, dem Zeitgeist entsprechend trainiert oder, in jüngerer Zeit, mit technischen Mitteln aufgezeichnet und modifiziert wurden.

Mit zwei Erfindungen hat sich vor 130 Jahren unser Verhältnis zur Stimme fundamental verändert: Die technische Aufzeichnung durch den Phonographen überwand die Zeit, die fernmündliche Übertragung durch das Telefon den Raum.

In den 1920er-Jahren machte es die Verfeinerung der Mikrofontechnik möglich, dass leiser Gesang eine laute Band übertönt – ein neuer Typus des Sängers entstand, der Crooner. Mit vergleichsweise wenig ausgebildeter Stimme konnte er mittels Verstärkung seine samten erklingenden Songs in grossen Sälen hörbar machen.

Die verstärkte Stimme begann zeitgleich auch an politischen Massenveranstaltungen eine gewichtige Rolle zu spielen. Damit vergrösserte sich die Reichweite der Kommunikation, ohne dass sich die Stimme ästhetisch veränderte, ohne dass sie zum Geschrei wurde. Auf der Ebene des Affekts konnte sie weiterhin jeden Einzelnen erreichen und drang bald auch via Radiowellen direkt ins Wohnzimmer.

Die räumliche Trennung des Senders und Empfängers unterbricht aber den unmittelbaren Austausch mit dem physisch präsenten „öffentlichen Ohr“.

In einer Demokratie lenkt zwar die Stimme der Gemeinschaft das politische Handeln. Wie aber klingt diese Stimme, was sagt sie und welchem Körper gehört sie?

Entwicklungen in Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Pop und Kunst sind verzahnt – dies belegt einmal mehr ein Blick auf die Geschichte technisch modifizierter Stimmen. Beispielhaft dafür steht der Vocoder, dessen Entwicklung zwischen militärischer Verschlüsselungstechnik und Big Band-Gimmick um 1940 beginnt, und der in der Popmusik der 1970er-Jahre als Erzeuger futuristischer, geschlechtsloser Stimmen von Menschmaschinen umgedeutet und popularisiert wurde.

Heute sind die Speicherung, Reproduktion, technische Modifikation und Übertragung der Stimme nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Die Auto-Tune Tonhöhenkorrektur-Software gehört zum aktuellen Mainstream-Pop, sie schönt die Stimmen der Starlets oder robotisiert Rapper. Synthetische Stimmen schliesslich werden von menschlichen Callcenter-Agenten ununterscheidbar.

Was geschieht, wenn wir die menschliche Stimme und die Stimme einer Maschine nicht mehr klar unterscheiden können? Sind wir in der Lage, einen echten und einen künstlich erzeugten Affekt auseinanderzuhalten?

Wie haben die technologischen Entwicklungen der digitalen und vernetzten Kultur unsere Wahrnehmung und Vorstellung von Stimme verändert?

Shift rückte 2011 musikalische und künstlerische Experimente mit Stimmen unter Strom ins Zentrum und stellte von der Stimme ausgehend Fragen zu Körper, Gesellschaft und Sprache.


2010

Lost & Found. Wiederentdecken, neu interpretieren

Der Schweizer Elektronik-Pionier Bruno Spoerri (*1935), Spezialgast von Shift 2010, hat seit den 1960er Jahren stets mit neuesten technischen Möglichkeiten Musik komponiert und aufgeführt, aber auch Hunderte von Jingles produziert, Werbespots und Filme vertont. Heute wird seine Musik wiederentdeckt und neu zugänglich gemacht, so etwa von Andy Votels Label Finders Keepers, das auf Wiederveröffentlichungen dieser Art spezialisiert ist.

Über Werbung, Soundtracks und Jingles verbreitete sich elektronische Musik erstmals auch ausserhalb eingefleischter Kreise – die neuen Klänge standen für Fortschritt, Zukunft, technische Präzision oder Unheimlich-Seltsames. Sie sorgten für prägende, nur halb-bewusste Erlebnisse mit elektronischer Musik vor dem Siegeszug der elektronischen Pop- und Dancemusik. Im Rückblick werden Spoerris Werbefilmsoundtracks anders gehört und etwa als Musik zum Zuhören oder Tanzen rekontextualisiert – nebst der Neuinterpretation schwingt ein vage bestimmbares Gefühl von Erinnerung mit. Zukunftsmusik aus der Vergangenheit wird neu ganz gegenwärtig.

Der Blick auf die kulturelle Produktion vergangener Tage wird durch technische Medien verändert. Oft wird von einer unüberschaubaren «Bilderflut» oder «Datenflut» gesprochen. Dieser brodelnde Informationspool spült vergessen Geglaubtes hoch, löst Erinnerungen aus, lässt uns teils flüchtige, neue Vergangenheiten zusammensetzen und Neuordnungen vornehmen.

Die diesjährige Ausgabe des Shift-Festivals interessierte sich für eigenständige Blicke auf die Vergangenheit, die mäandrierenden Geschichten des Obskuren und Obsoleten, die der vermeintlich linearen Ereignisgeschichte entlangschrammen.

Neben Bruno Spoerri und seiner zeitgenössischen Neuinterpretation waren etwa Subkulturen wie die 8-bit-Szene vertreten, die Bildsprache und Musik der frühen Computerspiele weiterschreiben. Ganze Zirkel von Schallplattensammlern und DJs heben Schätze aus verstaubten Stapeln vergangener Massenkultur, und stellen grenzenlos neue Verbindungen zwischen verschiedensten Zeiten, Orten und Kulturen her. Künstler wie Deimantas Narkevičius mischten sich mit ihren Strategien dezidiert in den Geschichtsdiskurs ein. Als Basis und Ausgangspunkt dient ihnen die Frage nach den Vermittlungsmöglichkeiten von Geschichte durch technische Medien. Im Spiel mit der Durchlässigkeit der Grenze zwischen Fakt und Fiktion und mittels Neumontage von historischem Material, wird etwa die Konstruiertheit von Geschichte hinterfragt. Der litauische Künstler Deimantas Narkevičius beispielsweise re-montiert Mitschnitte von TV-Nachrichten die vom Ende des Realsozialismus berichten so, dass der Eindruck entsteht, dass die Lenin-Statuen nicht demontiert, sondern errichtet werden. Dadurch wandeln sich die Erzeugnisse technischer Medien vom Dokument, das vermeintlich authentisch Geschichte bezeugt, zum Material, aus dem neue Geschichte(n) gebaut werden. Ein individueller Bezug zur Vergangenheit erweitert diese zum Möglichkeitsraum: Der neue Blick auf die Geschichte soll einen neuen Blick auf die Gegenwart – und in die Zukunft – gewähren.


2009

Magic. Übersinnlichkeitsvermutungen und Technologiebeschwörungen

Spätestens seit die Spiritisten und Okkultisten des 19. Jahrhunderts ins Jenseits zu telegrafieren und Geister zu fotografieren vorgaben, gibt es eine reiche Wechselbeziehung von Magie und – jeweils neuen – Medien. Die technischen Medien – von der Fotografie, über Telegrafie und Radio bis zum Computer –, zumeist Produkte rationaler Wissenschaft oder geistreicher bzw. zufälliger Erfindungen, eignen sich für die Projektion übersinnlicher Verbindungen und magischer Kräfte, da ihnen ein Rest an Übernatürlichkeit oder Zauberkraft innezuwohnen scheint. Fasziniert oder ängstlich, erwartungsfroh oder gar gläubig, betrachten wir Kunst und Medien bisweilen als magische Kanäle. Das beginnt im Alltag, beispielsweise wenn der Computer etwas «wie von selbst» macht.

In der Kunst war in jüngster Zeit ein neues Interesse an magischen Praktiken und ihrer Geschichte zu beobachten, gerade auch vor dem Hintergrund der Omnipräsenz technischer Kommunikation und der damit einhergehenden permanenten Überforderung. Dabei ging es zumeist nicht um ein Abdriften ins Esoterische, sondern eher um eine experimentelle Untersuchung über das Wechselspiel zwischen technischen Allmacht-Visionen und spielerischen Subversionen vermeintlicher Subjektivität und Souveränität.

Das Thema hat eine wichtige historische Komponente: Technische Medien haben (neben menschlichen Medien) eine wichtige Rolle gespielt beim Boom von Spiritismus und Okkultismus um 1900. Medientechnologie wurde (und wird) zum Aufspüren oder Sichtbarmachen von Übersinnlichem eingesetzt – häufig mit bewusster Scharlatanerie verbunden (Geisterfotografie, Camera Obscura, Holografie).

Zu untersuchen sind am Festival aber auch und in erster Linie aktuelle Verbindungen von Medien und Magie: Es gibt «magische» und beschwörende, optimistische und pessimistische Umgangsformen und -stile in der Beziehung zu Medien und Technologie, zu (literarischen und musikalischen) Automaten und (industrieller) Automation, im Alltag wie in der Politik (Staaten, Religionen, Sekten). Im Alltag setzen wir uns ständig mit der Magie und Monstrosität der «Black Box» Computer auseinander, es liegt nahe, mit Technologie-Beschwörungen und Übersinnlichkeitsvermutungen zu reagieren .

Schliesslich gibt es ein starkes künstlerisches Interesse an magischen Praktiken. Ein solches Interesse der Kunst, insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg (vor dem Hintergrund der Totalitarismen des 20.Jh), richtet sich oftmals gegen die Rolle des Künstlers als souveränes Subjekt bzw. speist sich aus einer Skepsis gegenüber einem Rationalismus, der die Gefahr des Totalitären birgt. Demgegenüber steht gleichzeitig eine stark personalisierende Tradition magischer Vorstellungen über das positive Genie des Künstlers als Zauberer oder Schamane. Und schliesslich hat die Magie als Inhalt (neo-)konzeptueller Kunst-als-Recherche Konjunktur.


2008

Record, Record – Aufzeichnen-Speichern-Verarbeiten

281 Exabytes – das ist eine Zahl mit 18 Nullen – betrug die digitale Datenmenge Ende 2007 laut einer Studie des Speichersystemherstellers EMC. Und wir alle tragen freiwillig und unfreiwillig dazu bei, dass dieser Berg täglich wächst.

Wir leben in einer Zeit obsessiven Aufzeichnungs- und Speicherhungers. Überall und ohne Unterbruch werden mit immer speicherintensiveren Medien Daten aufgenommen und aufgezeichnet, «gebackupped» und «upgeloadet», wiederverarbeitet und weitergereicht. Ein offensichtlich grenzenloses Archiv ist am Entstehen – verteilt und zerstreut auf komplexe Datenbanken sowie multimediale, oft mobile Anwendergeräte.

Ein Mobiltelefon zum Beispiel ist ein Aufnahmegerät, ist ein mp3-Player, ist ein Fotoapparat, ist eine (Überwachungs-)Kamera, ist eine Agenda, ist ein GPS, ist Speicherplatz, ist ein Kleinstserver, ist ein Videoplayer, ist eine Waffe. Die schier endlose Praxis des Aufzeichnens, aber auch Niederschreibens, Registrierens und Protokollierens, erzeugt und bezeugt gleichsam eine neue Poesie der Sammlungen und Aktenberge. Speicherplatz und Speicherumfang scheinen endlos zu sein und doch sind sie verknüpft mit und eingeschränkt durch unbefragte Kriterien der Selektion und der Speicherung. Aufgenommen und festgehalten wird freiwillig, aber auch unfreiwillig.

Shift 2008 untersuchte und befragte diese globalen Entwicklungen und zugleich ihren schleichenden und tiefgreifenden Einfluss auf den Alltag, dem man sich nicht entziehen kann. Die Fragen lauteten: Was passiert mit all diesen Daten, wohin gehen sie, wer verwendet sie wie, wann und in welcher Form? Welche Funktionen erfüllen Archive und Datensammlungen und für welche Zukunft? Welcher Umgang mit Wissen, welche Überwachung und Manipulation, welcher Missbrauch ist möglich? Und welche Formen des Widerstandes und der Überlistung?

Das Shift Festival 2008 erprobte und diskutierte die Thematik unter drei Stichworten:

Aufzeichnen – To Record

Das Potenzial unendlicher Aufzeichnung besteht - es muss dahingehend befragt werden, wer wann was wozu aufzeichnen darf und soll. Auch das Feld der elektronischen Künste speist sich zu einem grossen Teil aus der Möglichkeit der technischen Aufzeichnung.

Speichern – The Record

Die Digitalisierung hat den Vorgang und die Macht des Archivierens verändert. Die Dominanz der zentralen, statischen Archive steht zur Disposition, zugleich bilden sich neue, dynamische, dezentrale Archive heraus - mit Filesharing, Open Source und freien Wissensdatenbanken. Denn immer muss auch nach der Zugänglichkeit zum Gespeicherten gefragt werden.

Verarbeiten und Weiterkopieren – RecordRecord

Die Kunst sorgt über das Spiel mit dem Aufzeichnen und dem Aufgezeichneten für die Brüche, die den Blick unter die Oberfläche öffnen. Der Blick auf die spezifische Materialität eines Aufzeichnungsmediums ebenso wie die Praxis des Wiederholens, Stotterns, Remixens auf der Basis der Archive lässt die Signifikate mit den Signifikanten tanzen – nicht zuletzt auch als lustvollen Umgang mit der unvorstellbaren Datenfülle.


2007

Access

25.-28. Oktober 2007

Von Pionieren des audiovisuellen Pop bis zum jungen Medienkunst-Kollektiv und Projekten aus Schweizer Kunsthochschulen: Shift, das neue Festival der elektronischen Künste in Basel, brachte Medien-Künstler, Musiker, Videoschaffende und Wissenschaftler aus den USA, aus Lateinamerika, aus der Türkei, Griechenland, Deutschland, Italien und der Schweiz zusammen. Shift präsentierte auf dem Dreispitzareal am Stadtrand Basels und in der Innenstadt unter dem thematischen Überbau Access etablierte Positionen und Experimente, bot mit Konzerten, Ausstellungen, Screenings, Panels und Künstlergesprächen Einblicke in das aktuelle Schaffen und in spannende Projekte aus dem facettenreichen Gebiet der elektronischen Künste.

Shift verstand sich ausdrücklich als spartenübergreifender Anlass, als ein Festival der Trans- und Intermedialität: Im Angebot standen Live-Konzerte, Ausstellungen, Screenings, ein regionaler Videofilmwettbewerb sowie ein spezielles Programm von Schweizer Musik- und Kunsthochschulen. Dazu kamen Panels, eine ganze Reihe von Künstlergesprächen, eine Installation, die sich speziell an Kinder richtete, sowie Partys.

Ausstellung:

Die von [plug.in] kuratierte internationale Ausstellung beinhaltete Positionen, die aus unterschiedlichen Perspektiven einen Blick auf das Festivalthema Access ermöglichten. Spielerische, sinnliche und ironische Zugänge standen neben intellektuellen und konzeptuellen sowie politischen und aktivistischen. Ältere Werke verwiesen auf die lange und wichtige Geschichte des Themas, jüngere auf dessen ungebrochene Aktualität.

Beteiligte Künstler:innen: !Mediengruppe Bitnik, Beat Brogle, Minerva Cuevas, Raphael Cuomo & Maria Iorio, île flottante | Nica Giuliani und Andrea Gsell, Graffiti Research Lab, Gülsün Karamustafa, Knowbotic Research, Marc Lee, Lana Lin, Jenny Marketou, Muntadas, Cornelia Sollfrank, Platoniq, Ubermorgen/Alessandro Ludovico/Paolo Cirio, Christoph Wachter/Mathias Jud

Musik:

Das Programmraster Konzerte, audiovisuelle Performances, Visuals, DJs, präsentierte fünf thematische und inhaltliche Schwerpunkte. Der Eröffnungsabend wurde in Zusammenarbeit mit dem Elektronischen Studio der Musik-Akademie Basel-Stadt gestaltet. Die Konzerte und Performances geben spannende Einblicke in die Vielfalt der musikalischen Gestaltungsweise mit elektronischen Mitteln. Abgerundet wurde das Musikprogramm mit der Partyreihe Night Shift sowie den Kopfhörerkonzerten, einer offenen Plattform für überraschende, innovative Musikexperimente.

Im Anschluss an ein Panel zum Thema Audio/Visionen? – hybride Formen von Musik und Bewegtbild folgten verschiedene Performances, die zeigten, was alles in Overheadprojektoren steckt und wie Alltagsgegenständen unerwartete Klänge entlockt werden können. Schliesslich nahmen die legendären Coldcut das Publikum während der Night Shift Party mit auf ihre Journeys by VJ.

Beteiligte Künstler:innen: Christoph Brünggel, Tomas Korber & Thomas Peter, Volker Böhm, Chikashi Miyama, José Navarro, DJs Hachi & Christian Walt, Lucie Kolb, Murcof, Jorge Haro, Jorge Castro aka Fisternni, Solotempo & Jorge Castro, Dominik Brun del Re aka Person & Brian Mackern, Cio

Coldcut, Mikomikona, Sissikontest, Jennifer Cardini, S-Biene, Sutekh

Kopfhörerkonzerte mit: Mit Schurer, B°tong, Steinbrüchel, eLm, Stahl, Eiko, Kay Kiyak, Krankenschwestern, Stuchka Vkarmanye, Ed Function, Monzur, Pe Lang, Blinde Kinder, Mathon

Videoprogramm:

Das Videoprogramm bestand aus drei kuratierten Programmschienen mit Schweizer Videokunst und einem offenen, regionalen Wettbewerb. Die Videos wurden als Screenings mit anschliessendem Gespräch präsentiert und waren ausserdem an Videostationen im Festivalzentrum einsehbar. Die nationalen Screenings wurden von Gastkuratorinnen und -kuratoren Giovanni Carmine, Kurator, Neue Kunst Halle St. Gallen, Nicole Schweizer, Konservatorin, Musée cantonal des Beaux-Arts de Lausanne und Annina Zimmermann, Journalistin und Unternehmerin, als Vertreterin der IG Film und Medienkunst Basel zusammengestellt.

Kuratiertes Programm von Chris Regn und Annina Zimmermann: Muda Mathis & Sus Zwick, Lena Eriksson, Lex Vögtli/Pedi Vögtli/Gilbert Engelhardt, Zita Strübi, Fabian Chiquet, Marianne Eggenberger/Elisabeth Blättler/Gisela Hochuli/Sandra Künzi/Claudia Paiano/Stefanie Klemm/Urslé von Mathilde/Tina Z’Rotz/Annette Berger, Julia Kälin, Barbara Naegelin, Christoph Oertli, Iris Béatrice Baumann, Max Philipp Schmid, Susanne Hofer, Andrea Saemann/Katrin Grögel/Chris Regn

Kuratiertes Programm von Nicole Schweizer: Anne-Julie Raccoursier, Elodie Pong, Judith Albert, Catherine Gfeller, Emmanuelle Antille

Kuratiertes Programm von Giovanni Carmine: Nils Nova, Donatella Bernardi, Karim Patwa, San Keller, Anna Luif

Regionaler, offener Wettbewerb: Franziska Megert, Anneé Marié Léon Sutér, Paul Takàcs, Andreas Lorenschat, Felix André Schaffert, Mara Montoya, Brigitte Rufer, Bettina Hägeli

Panels/Shift Talks:

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Medienwissenschaft der Universität Basel präsentierte Shift eine Kurzkonferenz zum Festival-Thema Access. Mit drei Panels wurde das Thema diskursiv reflektiert. Wissenschaftlicher Beirat der Panel-Reihe war Georg Christoph Tholen, Ordinarius am Institut für Medienwissenschaft der Universität Basel. Die Reihe Shift Talks bot weiteren Kunstschaffenden sowie -vermittelnden ein Podium zur diskursiven und künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema Access und weiteren aktuelle Fragen.

Shift in Progess:

Shift in Progress nennt sich schliesslich ein Programm, das aus einer Ausschreibung an Studierende von Schweizer Kunsthochschulen hervorgegangen ist. Beteiligt sind namentlich: FHNW HGK, Basel/Aarau, Institut Kunst, Institut Hyperwerk, Institut Medienkunst; ZHdK, Zürich, Neue Medien; F&F, Zürich; FHZ HGK, Luzern, Videodepartement; HKB, Bern, Musik und Medienkunst.

Förderer und Sponsoren des Shift Festivals:

Christoph Merian Stiftung

Kanton Basel-Stadt, Ressort Kultur

Swisslos Basel-Landschaft

Bundesamt für Kultur

Pro Helvetia

Migros Kulturprozent

Die Mobiliar

Ernst Göhner Stiftung

Alfred Richterich Stiftung

Manor

Sachsponsoren:

Tarzan

Dorint Hotel

Garage Keigel

Hapag-Lloyd

Restaurant Kunsthalle

Tweaklab

Auviso

Konnex

Tegoro solutions AG

Gremper AG

Medienpartner:

Radio X

Zusätzlich arbeitete Shift zusammen mit dem Red Ball Music Academy Radio.

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