Dorota Gawęda & Eglė Kulbokaitė
Gusła (3f912aedb415c443)
Dorota Gawęda und Eglė Kulbokaitė zeigen mit der 3 Kanal Video Installation Gusła (2020) auf drei nebeneinander gehängten LED-Ventilatoren holographische GAN-Animationen. Die Darstellung eines Auges, bestehend aus einer mandelförmigen Nuss mit einer menschlichen oder tierischen Iris in ihrer Mitte, bildet den Ausganspunkt für zahlreiche, meist fragmentierte Mischwesen, die sich daraus entwickeln, sich in einem intrinsischen Bildrhythmus zusammenziehen und wieder ausdehnen. Dieses rhythmische Morphing weitet sich auf das Zusammenspiel der drei Bildfelder untereinander aus. Die Figuren erscheinen vor meist ländlichen Hintergründen von Wiesen oder Felsformationen mit täuschend echt wirkenden, haptischen Texturen, die sich jedoch bei genauerem Hinsehen als artifiziell erweisen. So sehen wir etwa Federkristalle, Fellblumen oder Nashornhautfedern. Diese Künstlichkeit, ständig in der Schwebe zwischen verschiedenen natürlichen Bedeutungszuweisungen, eröffnet ein Feuerwerk an Assoziationen, je nach dem eigenen Erinnerungs- und Erfahrungshorizont der Betrachtenden.
Der Titel Gusła bedeutet auf polnisch Hexerei, das Wissen von Hexen und Heilern über die Transformation von Materie. Gawęda und Kulbokaitė setzen ein «Generative Adversarial Network» (GAN) als netzwerkbasierte Wiederaufnahme alchemistischer, materiewandelnder Rituale ein. GAN heisst übersetzt generierendes, gegnerisches Netzwerk, welches seit ca. 2014 im Machine-Learning Sektor eingesetzt wird. Das GAN besteht aus zwei miteinander gekoppelten Netzwerken, von denen eines künstliche Bilder generiert, die möglichst echt wirken sollen, während das andere die Echtheit der Bilder überprüft und die Fehler an das erste zurückmeldet. Sind beide Netzwerke gleich stark, werden sie durch den Austausch immer besser, sowohl im Generieren von täuschend echt wirkenden Bildern, sowie im Erkennen von Fehlern. In Gusła werden die Glitches dieser Perfektion quasi als Sollbruchstellen offenbart, indem offensichtlich unvereinbare Eigenschaften wie Nashornhaut und Federn gemorpht werden. Die GAN-basierten Bildwelten funktionieren so als Katalysator, oder als digitale Alchemie, für eine überbordende, Kategorien sprengende und transformierende Kreativität seitens der Kunstschaffenden ebenso wie seitens der Betrachtenden.
Text: Bettina Back